Wer kennt sie nicht? Die Abenteuer-Bücher aus der Kindheit mit der Möglichkeit nach jedem Kapitel selbst zu entscheiden, ob ich z.B. die einsame Insel verlasse oder ob ich mich doch lieber mit den Einheimischen über die Papageien-Zucht unterhalten möchte. Mit einem Mal war man Teil des Buches, der Handlung, zwischen den Buchstaben, der literarischen Welt, in der Geschichte, Drahtzieher. Wer vermisst das nicht?
Gaming greift das Prinzip auf. Der User spielt bereits konzipierte Handlungsstränge durch, bleibt aber in seinen Entscheidungen frei – gehe ich nach rechts, gehe ich nach links – und macht das Game somit zu seinem eigenem. Diese Art von Rollenspiel wird immer attraktiver, gerade Jugendliche von 12-19 Jahren werden angesprochen. Der Wunsch nach Partizipation äußert sich auch bei Leseratten: Fanfictions, RPGs, Pen and Paper ermöglichen es, sich selbst in die Geschichte zu schreiben, Hintergründe auszudenken, eigene Charaktere auszubauen und dies mit anderen zu teilen.
Eine Verbindung aus Literatur und Gaming fehlte bislang.
Doch was ist das, dort am Horizont der innovativen Konzepte? Es springt und singt, kichert fröhlich vor sich hin? Es ist der Partiziaptionsdelphin mit einer neuen Idee zwischen den Flossen. „Spül sie an, kleiner Freund. Wir wollen Anteil nehmen.“ „Schreibt eine Interactive Novel.“, sprach er und schwamm davon.
Die Interactive Novel bietet ein ganz neues Lesegefühl. Während das herkömmliche Buch als fertiges Produkt still steht, kann oder soll vielmehr die Interactive Novel in ihrer Form beweglich sein.
Diese Startseite eines Prototypen zeigt die möglichen Gadgets einer Interactive Novel.
Ein Forum gibt den Lesern die Möglichkeit, ihre Geschichte nicht nur für sich selbst zu erleben. Man kann sich mit anderen Lesern darüber austauschen, was in seinem persönlichen Handlungsstrang passiert und wie sich dieser von den Pfaden unterscheidet, die andere Leser vielleicht eingeschlagen haben. Sie können mit der Autorin oder den Autoren chatten, ihnen Fragen stellen und Inspirationen für folgende Handlungsalternativen geben. Die Leser können sich untereinander austauschen, wie sie sich die Figuren oder Orte der Geschichte vorstellen. Über den Menüpunkt Galerie, können sie diese Vorstellungen in Form von Bildern auch allen anderen zeigen. Die schönsten Bilder können in einem Wettbewerb ermittelt und zur Geschichte hinzugefügt werden. Wer davon noch nicht genug hat und noch tiefer in die Geschichte eintauchen möchte, kann sich über die RPG-Funktion seinen eigenen Charakter innerhalb der Story erstellen und mit anderen Lesern ein Teil davon werden.
Über einem kurzen Text auf der Startseite, der den Besucher in die Geheimnisse einer Interactive Novel einführt und einen Hinweis darauf gibt, wovon die Geschichte handelt, kommt man über den großen Pfeil zur interactive Novel selbst und damit in eine Geschichte, die einem selber die Möglichkeit gibt, den Weg des Protagonisten zu bestimmen. Den Autoren fällt die Aufgabe zu, ihre Geschichte nicht nur in eine Richtung zu schreiben, sondern den Verschiedenen Wegen nachzugehen, die eingeschlagen werden können. Es entsteht ein verzweigtes Netz an möglichen Handlungsabläufen, zwischen denen sich der Leser entscheiden muss und sich somit seine ganz eigene Geschichte zusammenbastelt. Wie im wahren Leben kann er seine Entscheidung, einmal getroffen, nicht mehr zurücknehmen und muss sich den Ereignissen entgegen stellen, die durch seine Wahl entstanden sind. Wahlmöglichkeiten werden nicht nur im Bereich des Plots angeboten. Auch Kleinigkeiten können verändert werden. Die Wahl des Kleidungsstücks, der Name des Haustiers oder ob das Reisemittel der Wahl ein Pferd oder doch ein Pegasus sein soll, wären mögliche Veränderungen, die ganz nach dem eigenen Geschmack gemacht werden können. Und das mit einem simplen Klick auf das jeweilige Wort im Text.
Die Interactive Novel ist nicht nur eine personalisierte Form des Buches, zu dem bietet sie die Möglichkeit junge Leute wieder stärker dem Lesen zu zubringen. All die Vorteile des Romanes bleiben erhalten und die Fantasie der Leser wird gestärkt, aber eben ihre persönliche. Sie können ihre eigenen Geschichten mit ihren Freunden teilen und so verstehen und erleben welchen Einfluss ihre Entscheidungen wirklich haben.
Abschließend lässt sich sagen, das es schon lange mehr Interactive Novels geben sollte in dieser Welt. Also los Verlage. Traut euch.