Bevor wir zur Seite selbst gelangen schon das erste Problem: Socialbook funktioniert uneingeschränkt nur bei Google Chrome. NutzerInnen anderer Browser werden dazu angehalten, zu Chrome zu wechseln. Wir versuchen es trotzdem mit Firefox. Und haben darum mit einigen Problemen zu kämpfen, was Ladezeiten und die Vollständigkeit der Anzeige angeht. So sind Seiten teilweise ab der Hälfte abgeschnitten und es werden keine Seitenzahlen angezeigt.

Es gibt zwei Ansichten, zwischen denen man wählen kann: „My Library“, in denen die Bücher gesammelt sind, die man angeklickt hat, und „The Commons“, in dem das gesamte öffentliche Sortiment von zur Zeit 350 Büchern zur Verfügung steht.

Wir klicken ein Buch an. Als erstes werden wir gefragt, ob wir das Buch privat lesen und dazu die öffentlichen Kommentare der Community sehen, oder eine Lesegruppe einrichten wollen. Die Funktion der Gruppenbildung erschien uns an sich praktisch. Schade ist jedoch, dass pro Gruppe nur ein Buch gelesen werden kann – bzw. dass für jedes neue Buch eine neue Gruppe gegründet werden muss. Dabei muss der Gründer oder die Gründerin der Gruppe allen anderen außerhalb des Netzwerks einen Link schicken. Er kann also allein entscheiden, wer in der Gruppe dabei sein und mit diskutieren darf. Zudem kann nur eingestellt werden, dass die Kommentare nicht öffentlich sichtbar sind, wenn man die Gruppe in einem Buch gründet, das bereits in der eigenen Bibliothek vorhanden ist.

Wir machen uns ans Lesen. Lesefluss? Fehlanzeige. Stattdessen: stille Ladegewässer. Das kann jedoch an dem „falschen“ Browser liegen, was es nicht weniger ärgerlich macht. Um umzublättern, klickt man auf Richtungspfeile unter der Seite. Kompliziert ist das Fehlen von Seitenzahlen, es gibt stattdessen eine Prozentanzeige mit Schieberegler.

Um zu kommentieren, kann man entweder eine Textstelle markieren und dazu etwas schreiben oder sich allgemein zum gesamten Buch äußern. Diese Funktionen heißen Inline (im Text) und General (allgemein). Es gibt auch die Möglichkeit, Sätze nur zu markieren. Diese erscheinen als Zitat am rechten Rand, ebenso die Kommentare. Die Kommentare können auch aus Dateien wie Bildern, Audios, Links oder kurzen Videos bestehen, also eine Multimedialität und Hypertextualität, die über den Text hinausgeht, geschaffen werden. Außerdem kann man unter den Kommentaren auf einen „Gefällt-mir“-Button klicken. Während des Lesens kann man sich gefiltert nur Kommentare oder Markierungen anzeigen lassen, auch unterteilt auf Inline oder General. Dazu gibt es die Option, sich alle Kommentare und Markierungen, nur die selbst verfassten, oder jene anzeigen zu lassen, in die man involviert ist. Diese Möglichkeiten sind differenziert und vielfältig, vor allem weil sie unterschiedlich kombinierbar sind. Außerdem gibt es die Suchfunktion sowohl innerhalb des Texts als auch innerhalb der Kommentare. Wenn man nach einem Begriff sucht nud ein passender Kommentar gefunden wird, kann man ihn anklicken und wird an die Stelle im Text geführt, an der kommentiert wurde. Jeder, der angemeldet ist und möchte, kann Bücher und Texte hochladen. Daraus folgt, dass vor allem rechtefreie Klassiker, wissenschaftliche Essays oder Bücher mit selbst gestalteten Covern und abenteuerlichen Inhalten hier zu finden sind. Auch sind Texte mehrfach vorhanden, den Hamlet gibt es zum Beispiel drei Mal. Wer eine Textdatei hochlädt, kann darüber entscheiden, ob diese allen Mitgliedern der Community zum Lesen zur Verfügung gestellt wird oder nur einer festgelegten Gruppe. Es wird auch die Möglichkeit angezeigt, Audios, Videos oder Bilder auf Socialbook zu stellen. Beim Durchsuchen der Commons-Bibliothek können wir jedoch keine solche Datei entdecken und auch der Versuch, selbst ein Foto hochzuladen, scheitert. Es gibt keine Filter, die die Anzeige in der Commons-Bibliothek einschränken. Man kann nach bestimmten Titeln, AutorInnen und Erscheinungsjahren suchen, nicht aber nach Genres oder Sprachen. Das macht die Verwendung aufwändig und schwierig, weil man sich immer durchklicken muss.

Das Design von Socialbook ist überraschend altmodisch im Vergleich zu den Screenshots des Netzwerks, die vor der Anmeldung auf der Socialbook-Seite zu sehen sind. Die Funktionsleisten sind unübersichtlich, Buttons wie der der Hilfeseite leicht zu übersehen. Allerdings gibt es auf dieser Hilfeseite ausführliche und verständliche Erklärungen, die das anfängliche Zurechtfinden im Netzwerk erleichtern.
Man könnte Socialbook als eine Art digitales Mini-Antiquariat bezeichnen, da auch das Angebot hauptsächlich aus alten Büchern besteht.

Eine Community ist Socialbook ausschließlich durch die Kommentarspalte. Es besteht nicht die Möglichkeit, anderen NutzerInnen privat Nachrichten zu senden oder sie in irgendeiner Weise außerhalb eines Buchs zu kontaktieren. Bei Socialbook steht eindeutig die Sachebene im Fokus der Community, persönliche Verknüpfungen sind nicht möglich. Ob aus Schutz oder durch Lückendenken ist fraglich, wir finden es unpraktisch.
Gerade für Arbeitsgruppen oder Seminare bietet Socialbook sich als hilfreiche Plattform an. Auf Grundlage dieser Idee entstand Lectory, eine von Socialbook, Reclam und der Süddeutschen Zeitung betriebene Website für SchülerInnen, die wir im Folgenden genauer betrachten werden.

Socialbook für Schulklassen: Lectory

Bei Lectory kann man sich nur mit Code anmelden. Den bekommen die Schulen zugeschickt, die das Programm für einen bestimmten Zeitraum und eine bestimmte Anzahl von SchülerInnen erwerben.
Die Frontpage des Netzwerks ist übersichtlich und durch unterschiedliche Farben strukturiert. Man kann wieder zwischen einer öffentlichen Bibliothek (der Schulbiliothek) und der eigenen wählen. Die Bücher und Texte in der Schulbibliothek sind hauptsächlich von Reclam und der Süddeutschen Zeitung zur Verfügung gestellt worden. Man kann Kategorien wie Klassiker der Literatur, Französische Literatur, Jugendbuch oder Musik anklicken und bekommt dann nur die der Kategorie angehörigen Bücher angezeigt. In „Moderne deutsche Literatur“ sind AutorInnen wie Frank Wedekind, Franz Kafka und Stefan Zweig vertreten, was vermutlich an der Zusammenarbeit mit Reclam liegt. Wir fragen uns, ob LehrerInnen ihren Klassen auch Bücher zur Verfügung stellen können, die in diesem Jahrhundert erschienen sind. Vermutlich schon, denn es gibt wie auch bei Socialbook die Möglichkeit, selbst Texte hochzuladen. Der Vorteil bei Lectory ist aber ebendiese von Reclam und der SZ bestückte Schulbibliothek, wodurch das öffentliche Angebot nicht ganz so abenteurlich ist wie bei Socialbook.

Wir klicken ein Buch an und haben wieder verschiedene Möglichkeiten, es zu lesen: in einer privaten Gruppe, in einer öffentlichen Gruppe oder in der Open Community. Wenn es die Administrationsperson der Schule erlaubt, kann man einen Text auch innerhalb des gesamten Schulcommuntiy lesen.
Die Innenwelt des Buchs sieht ähnlich aus wie bei Socialbook: Zum Umblättern gibt es Pfeiltasten, rechts kann man inline und general kommentieren und sowohl innerhalb des Texts als auch den Kommentaren nach Begriffen suchen.

Auch die Gründung von Lesegruppen funktioniert wie bei Socialbook durch das Verschicken eines Links. Im Lectory-Kontext scheint das für uns sinnvoller als beim anonymeren Socialbook, da es sich hier um Schulgruppen handelt, die sich auch persönlich kennen und treffen.

Einige der Wörter im Buch sind verlinkt. Wenn wir sie anklicken, passiert es häufiger, dass unser Browser eine halbe Ewigkeit lädt oder sich direkt aufhängt. Schaffen wir es doch ans andere Ende des Links, befinden wir uns in den Endnoten des Buchs, wo es Zusatz- oder Kontextinformationen zu bestimmten Ausdrücken, Übersetzungen und Worterklärungen gibt. Das erscheint uns sehr sinnvoll, gerade in fremdsprachigen oder alten Texten.

Dafür, dass es sich bei Lectory um eine überarbeitete Version von Socialbook handelt, sehen wir immer noch manche Defizite. Wir wünschen uns zum Beispiel gut sichtbare Seitenzahlen am unteren Rand der Seiten, eine deutlichere Kennzeichnung der Navigationsleiste innerhalb des Buchs und die Möglichkeit, im Netzwerk Privatnachrichten zu schreiben.
Aber wir finden auch, dass Socialbook in seiner Lectory-Form für Schulklassen sehr sinnvoll ist. Fragen können online direkt innerhalb des Textes gestellt werden, Diskussionen können sich entspinnen, Referate erarbeitet werden. Auch für andere Arbeitsgruppen lohnt sich das Netzwerk.